Einen Moment, hieß es nicht in einem früheren Artikel "Ich weiß, dass ich nicht(s) weiß"? In jenem Artikel ging es um den unbekannten Kenntnis- und Fähigkeitsbereich, der an den eigenen, vorhandenen angrenzt. Man hat eine Ahnung von dem Wissen "da draußen".
Wir beschäftigen uns die meiste Zeit mit Themen aus unserer eigenen Branche. Um besser zu werden, lesen wir Journals, Artikel, hören Podcasts, gehen zu Seminaren, Konferenzen und hören Vorträge, die alle sich mit dem beschäftigen, was für unsere Branche typisch ist. Wir erschließen uns die Bereiche, die an unser vorhandenes Wissen angrenzen.
Wir entwickeln uns zwar weiter, lernen auf diese Weise jedoch nicht, wie wir etwas anders machen könnten, Probleme auf andere als für uns typische Art zu lösen oder unser Denken anders auszurichten als in den bisherigen Pfaden.
Doch was, wenn die Lösung zu einem unserer Probleme leichter zu finden wäre, wenn wir etwas wüssten, worüber wir noch nichts wissen? Von Bereichen, die so weit außerhalb des bisher Bekannten liegen, dass wir nicht mal eine Ahnung davon haben.
Nehmen sie Sherlock Holmes als Beispiel. Er hat sich mit vielen verschiedenen, scheinbar nicht zusammenhängenden Gebieten beschäftigt. Nicht nur die Kunst der Deduktion, der Forensik, Kriminalistik, sondern u.a. auch Kampfkunst, Musik und Botanik. Und wenn es um die Lösung eines Falles ging, fielen ihm Dinge aus den unterschiedlichen Bereichen ein, die er dann, neu kombinierend, lösungsrelevant einsetzen konnte.
Kampfkunst, der argentinische Tango, und das Leben. Sie haben mehr Parallelen als ich mir vorstellen konnte, bis ich mich damit beschäftigte: Aufmerksamkeit, Achtsamkeit, Kontakt, (nonverbale) Kommunikation, sind wichtig um gemeinsam agieren zu können, zu Führen und zu Folgen, zur Ermöglichung von Kooperation, sowie Dynamik und Harmonie in der Zusammenarbeit.
Durch das Tanzen erlebte ich am eigenen Körper - und in der Beobachtung Anderer - die für mich immer wieder faszinierende Wirkung von Präsenz, und wie wichtig das Vorhandensein eines Kontaktes für die Kommunikation zwischen Menschen ist. Zu führen auf eine klare, achtsame, kooperative Art.
Wer einfach "sein Ding durchziehen" will, zwingt den Partner zur Handlung statt sich gemeinsam mit ihm zu bewegen.
Welch Wohlgefühl gibt einem doch das Erleben der Leichtigkeit im harmonischen Fluss der gemeinsamen Bewegung.
Je mehr ich über die psychologischen Aspekte des Menschseins erfuhr, je mehr Zusammenhänge sah ich zum Tanz und vice versa. Die Möglichkeiten der Kombination der verschiedenen Aspekte dieser und weiterer Bereiche meines Lebens, erschlossen sich mir oft erst später und nicht direkt zum Zeitpunkt der Wissens- und Erfahrungsaufnahme.
Das ist, wo Innovation herkommt, Lösungsideen, die niemand anderes aus unserer Branche bisher hatte: Durch spielerische Beschäftigung mit Themen außerhalb unseres Metiers.
Neue Perspektiven lösen alte Probleme. Alte Perspektiven können neue Probleme entstehen lassen. Gehen Sie raus aus Ihrem bisherigen Wissens- und Erfahrungsbereich, entdecken Sie Neues. Z.B. Jonglieren, was zudem auch Ihren Geist schult und Sie wacher macht.
Die beiden Erkenntnisse aus dem vorherigen und diesem Artikel - zu wissen, dass man nicht(s) weiß und gleichzeitig zu wissen, dass man nicht weiß, was man nicht weiß - birgt die Gefahr, sich im Internet - oder wo auch immer man nach Wissen sucht - zu verlieren. Die gefühlte Unendlichkeit der Informationen im Internet erfordert die Kunst, Wesentliches von Unwesentlichem zu unterscheiden und zu wissen wann "genug" ist.
Auf der anderen Seite können an unser vorhandenes Wissen angrenzende Bereiche relevantes Wissen enthalten, das für uns genauso neu ist, wie solches weit außerhalb. Hier liegt die Gefahr darin, dass wir etwas ignorieren oder die Beschäftigung damit auf "irgendwann" verschieben, weil wir meinen schon eine Ahnung davon zu haben.
Um diesen Gefahren zu begegnen, gilt es, sowohl den eigenen Kompetenzraum auszubauen, als auch regelmäßig in andere Bereiche hinein zu schauen.